Antwort auf einen Beitrag der AK zur Hauptamtlichkeit in linken Organisationen!

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(Auf diesen Betrag der Zeitung AK –  analyse & Kritik – Nr. 603 vom 17.03.2015 – antworten Michael Sankari aus Kassel und Fabio Montale – Diskussionsbeiträge auf dieser Seite entsprechen der Meinung der VerfasserInnen. Sie müssen nicht die Meinung aller Mitglieder der IWW – Wobblies widerspiegeln)

Hallo Frieda und Mark,
Hallo geneigte Leserinnen und Leser,

wir haben euren Artikel mit Interesse gelesen, wollen aber nicht damit hinterm Berg halten, dass wir einige Punkte sehr kritisch, oder besser anders sehen. Vermutlich wird es ja die ein oder andere kritische Replik zu euch in der AK geben und die von uns allen gewünschte Diskussion vertieft.

Die Diskussion um das Thema Revolte erscheint uns doch komplizierter als in dem Artikel rüber kommt, weil man an der Stelle die Diskussion tiefergehend führen kann, was Gewerkschaften im Kapitalismus eigentlich dazu beitragen und beitragen können, um eine neue Produktionsweise durchzusetzen. Dazu besteht einerseits ein traditioneller Disput – andererseits sind da auch schon mehr Erfahrungen auf dem Tisch.

 IWW – One Big Union statt Underdogs

Ihr beiden schreibt aus der Perspektive eines revolutionären Syndikalismus, von dem wir glauben, dass er in der heutigen Situation – angesichts der entwickelten Zivilgesellschaft und auch angesichts der Art von Arbeitsbeziehungen, wie wir sie kennen – unrealistisch ist. Gewerkschaften können im besten Fall klassensolidarische Gegenmacht gegen das Kapital sein, die in ihrer praktischen Arbeit – wir meinen ausdrücklich nicht im ideologischen Beiwerk – maximal Reformpolitik im besten Sinne durchsetzen sollten können.

 Wenn es gut geht, wenn es also auf Klassensolidarität ausgerichtete und konfliktorientierte Organisationen sind, die die Selbsttätigkeit ihrer Mitglieder maximal fördern, dann sind sie zentralisierend Schulen des Sozialismus, aber auch nicht mehr. Und in ihrer Arbeit müssen sie natürlich alle ihnen verfügbaren Mittel nutzen, statt zum Verwalter der Klasse zu werden. Durch die Erfahrung der gescheiterten Versuche des Aufbaus einer sozialistischen Gesellschaft kommt für uns einer parteiunabhängigen, dennoch strikt antikapitalistischen, den Klassenwiderspruch benennenden Gewerkschaft eine noch größere Bedeutung zu als sie sich aus der Sicht von heute ergibt. Soll heißen: Der Aufbau eine solchen Gewerkschaft hat strategische Bedeutung, nicht nur für den Kampf um eine sozialistische Gesellschaft, sondern auch um den Kampf in ihr.

Diese Gedanken stehen im Widerspruch zur Stigmatisierung der IWW als eine Gewerkschaft der Underdogs. Heute erhalten die historischen Grundhaltungen der IWW eine weitaus bedeutendere Rolle als sich in einer „kleinen“ One Big Union widerspiegelt. Denn während in der Phase des sozialdemokratischen Klassenkompromisses auch partnerschaftlich agierende Gewerkschaften beträchtliche materielle, soziale und sogar einige politische Errungenschaften durchsetzen konnten, befindet sich die sozialpartnerschaftliche Ausrichtung in der Krise und eine klar auf Klassenkampf setzende Gewerkschaft wird allgemein notwendiger.

Hauptamtliche als Dienstleister? Dringend erwünscht!

Ihr habt eine ganze Reihe von Nebenbemerkungen zur Rolle von Hauptamtlichen aus DGB-Gewerkschaften drin. Die Folge ist: Die IWW wird als DIE Alternative zu den DGB-Gewerkschaften dargestellt und zugleich wird ein Bild von der Rolle der Hauptamtlichen gezeichnet, die wir ungenau und ebenfalls vereinfachend finden. Zum ersten: Ja, wir wollen keine sozialpartnerschaftlichen Gewerkschaften. Wir glauben aber beide, dass es heute darum gehen muss maximal viele gegenmachtorientierte und antikapitalistische Kräfte in den Gewerkschaften zu unterstützen – ob die in IGM, FAU, GDL oder IWW organisiert sind. Eine entsprechende Diskussionslinie würden wir uns auch wünschen. Das bedeutet – zweitens – eben auch genauer hinzuschauen, was „die Hauptamtlichen“ da eigentlich treiben. Das ist jetzt eine unfassbar komplizierte Diskussion, die wir nur andeuten wollen. Erstmal sind auch die DGB-Gewerkschaften gleichzeitig Bewegung und Apparat. Der Apparat kann sich nie vollständig verselbständigen, weil er die Bewegung braucht, um auch als Verhandlungspartner für das Kapital von Bedeutung zu sein (1) und Mitglieder zu befriedigen (2).

Letzteres ist ganz einfach gedacht: Wer Mitgliedsbeiträge zahlt, will schlicht auch erfolgreiche Tarifbewegungen sehen und die gibt es – in der Tendenz – nur dann, wenn ein Apparat mobilisieren kann. Schon das zeigt, dass es nicht einfach die Rolle von Hauptamtlichen ist zu demobilisieren und zu kontrollieren.

Und dann ist es natürlich so: Bei euch gibt es den Zungenschlag, als seien hauptamtliche Apparate per se schlecht. Wir schreiben dazu unten noch etwas, aber wir sehen das so nicht. Nur ist es natürlich so, dass in Arbeiterbürokratien einerseits eine ganz eigene soziale Schicht entsteht, mit widersprüchlichen Handlungsanforderungen (ein bisschen davon haben wir schon angedeutet und wir wollen es dabei belassen), die – egal wie links sie ist – einen mehr oder weniger ausgeprägten organisationskonservativen Zug haben, weil sie das Fortbestehen der Organisation, der Mitgliedschaft und von Teilerrungenschaften sichern wollen.

Zwischen Hauptamtlichen „an der Front“ – ob OrganizerInnen oder andere – und Leuten in Bezirksleitungen oder Landesbezirken oder gar Bundesvorständen gibt es einen erheblichen Unterschied – die einen sind nämlich an Auseinandersetzungen dran, die anderen sehr vermittelt. Und dabei sollten wir nicht vergessen, dass oftmals schlechte Politik nicht mal aus dem Unwillen von Hauptamtlichen in der Fläche folgt, sondern aus struktureller Überlastung, wenn man den Dienstleister im Stellvertretersinne für 20-30 BRs macht (in dem Schlag liegt der Schnitt unseres Wissens nach).

Zu beachten ist, dass gerade die Lust am Aktivieren, die ihr kritisiert, eher ein Schritt ist, um aus dieser Dienstleisterrolle rauszukommen. Und konsequent wäre dann natürlich die Linie „bildet 1000 Organizer aus“, also jedes Mitglied sollte als Organizer adressiert werden. Ist nicht so. Gut. Aber das kriegt man nicht damit erklärt, dass Hauptamtliche ja lediglich Leute aktivieren wollen – klar wollen sie das, weil sie ja nun mal nicht selber am Band stehen, Computerprogramme schreiben oder Alte waschen. Aber das ist billig.

Hätte die IWW 5000 Mitglieder, bräuchte sie Hauptamtliche. Hauptamtliche, die hoffentlich dabei die anderen unterstützen würden in den Betrieben aktiv zu sein und sie manchmal auch dazu anhalten würden, wenn es Krisen, Ermattungen oder Niederlagen gab. Das nennt man Aktivierung und ist auch wichtig – worüber man dann reden muss, ist die Form und die Zielsetzung. Aber das tut ihr nicht.

Organisationsmacht ist nicht nur leider nötig, sondern eine Errungenschaft. Und dann muss man eben die Gefahr benennen, die das mit sich bringt. Es ist doch naiv zu meinen, eine Gewerkschaft mit schon mal 5000 Mitgliedern könnte ohne Hauptamtliche auskommen – es sei denn man phantasiert sich alle Mitglieder zu allzeit bereiten Arbeiterkadern, die immer zu Sitzungen kommen etc., im Betrieb organisieren und und und…

Aus den konkreten Erfahrungen, auf die ihr euch in eurem Beitrag bezieht, bin ich (Sankari) und sind meine Kollegen der Meinung, dass es total geil wäre, wenn wir jemanden haben, der freigestellt ist und uns zuarbeitet. Das hatten wir bei genannter Kampagne auch – nur dass diese Arbeit durch Leute, die zufällig Zeit und Raum hatten (Studies…), erledigt wurde…. Dabei wäre es übrigens ein demokratischer Akt wenn es eben nicht die wären die gerade aus verschiedensten Gründen (die nichts mit Erfahrung, Qualifikation etc. zu tun haben müssen) Zeit, Kraft und Raum haben uns zuzuarbeiten sondern diejenigen die von uns (aus-)gewählt wurden! Das spielt momentan noch nicht die Rolle, aber wir haben gemerkt das es schon im nächsten Schritt zur Gründung von Gewerkschaften unumgänglich sein wird das zu klären. Oder ein ganz anderes Beispiel: Wenn die IWW z.B. die Nahrungsmittelkette organisieren wollte, dann bräuchte sie eine sehr gute Recherche. Eine Basisrecherche für ein Unternehmen – die grundlegenden Infos zusammentragen – dauert bei mir (Montale) jetzt ungefähr 3 Arbeitstage. Sagen wir für so eine Recherche dürfte man locker 4 – 8 Arbeitswochen ansetzen. Wer soll das machen? Und wie lange würde das dauern, um das zu machen, wenn das in der Freizeit passieren würde? Selbst wenn man jedes Wochenende durchrecherchieren würde, dann wären das 2 Tage pro Woche. Sagen wir so eine Recherche dauert 6 Wochen, also 30 Arbeitstage, dann hat man allein 15 Wochen, um die Recherche zu machen. Was fiktiv ist, weil man sich das Wissen draufschaffen muss etc. Alles ehrenamtlich? Nehmen wir an, ich (wieder Montale) täte das für die IWW. Dafür hätte ich gerne ein Entgelt. Ich muss 400 Euro nehmen pro Tag, um mich zu versichern, Rücklagen für Arbeitslosigkeit zu bilden. Für die IWW täte ich es zum Solipreis für 200 Euro am Tag (das ist kein Angebot, sondern ein Beispiel!). Wären also 6000 Euro. Die muss man haben, oder man beschäftigt Leute, die diese Arbeit leisten. So oder so. Das gleiche gilt für jede x-beliebige Beratung, deren Zentralisierung eben effizienter ist als es jeweils vor Ort machen zu lassen oder oder oder. Das widerspricht nicht dem Bild die Arbeit so weit es geht ehrenamtlich zu erledigen, das geht nur nicht bei jedem Punkt und immer: deswegen auf sinnvolle Arbeitsziele zu verzichten wäre absurd.

Befristet, flexibel – spannend?

 „Darüber hinaus sei angemerkt, dass ich nur als Akademiker_in zwischen einer Vielzahl von »spannenden« Jobs wählen kann.” schreibt ihr. AkademikerInnen können sich auch nicht mehr einfach nur coole Jobs aussuchen als andere – das ist eben auch nicht der Stand der Debatte. Karlo Roth hat in seiner Proletarisierungsthese über die HochschulabsolventInnen sogar gesagt, dass es da massive Deklassierungen gibt – stimmt eben auch, gerade in den sozialen und pädagogischen Berufen, den Sozial- und Geisteswissenschaften, wenngleich es natürlich auch von dort die Wege in die richtig gut bezahlten Jobs gibt. Aber diese Proletarisierung sehe ich – und da kann man auch genau so sagen, wie Du es tust: Warum sollten die nun kämpferischer sein als andere? Aber dann gibt es auch die anderen, die Ingenieure etc. Da sehen die Problemlagen einfach anders aus, hohe Konkurrenz bei schnell veralterndem Wissen, so dass junge Kollegen erheblichen Druck ausgesetzt sind. Etc.

Gleichzeitig gibt es eine Menge Leute die sich ganz bewusst gegen ein Leben als Akademikerin oder Akademiker entscheiden: eben weil sie solche Jobs zum kotzen finden und lieber zwischen den vielen spannenden Jobs als Kunstschlosser oder Werkzeugmechaniker wählen – das ist keine Ironie, der Artikel unterschätzt das völlig: nicht alle Linke sind Akademikerinnen oder Akademiker, noch wollen sie es sein.

Es soll sogar ne ganze Menge geben die sich unwohl in der Gegenwart ebensolcher fühlen. Es gibt keine Sonderrolle für linke Aktivistinnen und Aktivisten – sie weichen einfach nicht vom Schnitt ab sich in prekären Verhältnissen zu wehren – warum auch?

Die permanente direkte Aktion?

„Die Aktionsformen sind immer direkte Aktionen, um sowohl unberechenbar für die Chef_innen zu sein, Verbesserungen unmittelbar zu erwirken und dabei zu lernen, sich gegen Autoritäten durchzusetzen. Das ist der Veränderungsprozess, den wir für eine befreite Gesellschaft brauchen!“

Leider nein – alles zu nutzen um seine Macht auszubauen heißt sowohl als auch… Das ist ein wichtiger Punkt, weil das ja niemanden überzeugen dürfte, dass – wenn er im Betrieb einen Konflikt hat – z.B. das Arbeitsgericht nie anrufen dürfte. Oder dass Betriebsräte ihre Mitbestimmungsrechte nicht maximal ausschöpfen, um die Position dem Chef gegenüber zu verbessern.

Direkte Aktionen also ja, aber in Kombination mit anderen, um seine Macht möglichst effektiv aufzubauen und zu nutzen. Eine einseitige/alleinige Orientierung auf direkte Aktionen, halten wir für unrealistisch und unnötig linkssektiererisch, da es uns einerseits schwächt, aber auch nicht die Praxis der betrieblich aktiven IWW – Mitglieder darstellt.

Ihr unterschätzt offenbar, was ganz und gar nicht linksradikale IGM-Sekretäre dann doch auch mit den Belegschaften probieren. Kollektive Unterstützungsaktionen etc. Wir denken vielmehr, dass es eben ganz und gar nicht IMMER die direkten Aktionen sind, die eine Verbesserung bewirken, sondern eine gesunde Mischung an diesen, die dann, um Erfolge zu stabilisieren und (Selbst-)Bewusstseinsstände zu erhalten, im besten Falle in Betriebsvereinbarungen, Tarifverträge oder Gesetze gegossen werden, auf die man sich berufen und um deren Umsetzung man natürlich immer wieder ringen muss.

Ums mal zuzuspitzen: auch im Sozialismus wird sich der Klassenkampf AUCH in den Arbeitsrechtgesetzen ausdrücken, auf Regelungen zu verzichten, scheint uns ein Graus und nicht erstrebenswert. Euer Punkt scheint zu sein: „Hauptsache kämpfen“ – dann stimmt der Rest auch schon irgendwann – aus unserer Erfahrung ist es aber erfolgversprechender auch hier einen dialektischen Prozess zu organisieren. Der Punkt wo wir uns einig werden: OHNE direkte Aktion bleibt alles auf der Ebene der “vernünftigen Verhandlung”.

Auf der anderen Seite würden wir die scheinbare Befriedung von Arbeitsplätzen einen Ticken radikaler beantworten. Natürlich finden immer Konflikte statt, aber zwischen denen, die es etwa in der Universitätsverwaltung gibt und dem, was in vielen Metallunternehmen oder in Dienstleistungsbereichen zu finden ist, gibt es einen großen Unterschied. Auch übrigens, was aggressive Arbeitgeberstrategien angeht.

 Wir würden behaupten: Da haben wir es auch mit Klassenfragmentierung zu tun und das nicht zu beachten lässt einen halt ein unzulässig vereinfachendes Bild von den Klassenkämpfen heute zeichnen. Auch Prekarisierung ist irgendwie allerorten – aber allerorten auch auf unterschiedliche Art und Weise, unterschiedlich intensiv usw. Es hilft niemandem das über die Maßen zu vereinfachen nur um einer scheinbaren Einheit willen. Stattdessen ist es wichtig die effektivsten Mittel zu benutzen und gemeinsam mit Kollegen und Kolleginnen echte Gegenmacht von unten aufzubauen.

So, soviel dazu… einig müssen wir uns da nicht werden, davon gehen wir auch nicht aus, aber hier und da sollten wir daran arbeiten die Bilder die wir im Kopf haben zu vereinheitlichen und einen gemeinsamen Nenner zu finden: dann klappt’s auch mit den aktiven Mitgliedern.

Nochmal vielen Dank für euren Aufschlag, davon brauchen wir viel, viel mehr.

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